Wintersession 2020
24. April 2020
Von Zahlen und ethischen Diskussionen. Das Leben geht weiter. Das heisst, nicht nur Corona bestimmt unsere Arbeit, sondern die ganz normalen Geschäfte müssen auch behandelt werden. Wichtig ist, dass die beiden Kammern tagen – und das ist bis jetzt zum Glück möglich.
Etwas verspätet diskutierten wir die Jahresrechnung 2019 und den Voranschlag 2021. Was für ein Unterschied. Der Abschluss 2019 erscheint wie aus einer anderen Zeit. Ein Überschuss von 3.1 Milliarden Franken im 2019 steht einem erwarteten Verlust für 2021 von 4.9 Milliarden gegenüber. Wobei ein Grossteil des Verlusts auf die Pandemie-Massnahmen zurückzuführen ist. Zuerst haben wir allerdings sichergestellt, dass der Bund in jedem Fall über einen Voranschlag 2021 hat. Das ist nicht selbstverständlich. Müsste nämlich das Parlament coronabedingt den „Betrieb“ wieder einstellen und wir hätten nicht über den Voranschlag beschliessen können, würde der Bundesrat und die Verwaltung ohne Budget ins 2021 starten. Mit einer Art „Notgesetzgebung“, genauer einem Uebergangsvorschlag bis zur Verabschiedung des Voranschlages, schlossen wir eine allfällige Lücke schon am Mittwoch der ersten Sessionswoche.
Viel zu reden gab dann die Vorlage „Ehe für Alle“, bzw. der Entwurf zur Anpassung des Gesetzes. Entgegen der Wahrnehmung von Aussen drehte sich die Diskussion nicht um den Grundsatz, ob wir Ehe für Alle befürworten, sondern ob man eine solch wichtige Frage mit einer Gesetzesänderung entscheiden kann. Oder müsste man dies nicht auf Verfassungsebene heben und vom Volk entscheiden lassen, ohne dass zuerst ein Referendum gegen das Gesetz ergriffen werden muss? Ich war auch der Meinung, dass wir dies über eine Verfassungsänderung dem Volk vorlegen sollten. Das Gesetz sieht nämlich nicht nur Anpassungen bei der Ehe, sondern auch beim Anspruch auf Fortpflanzungsmedizin vor. Verbunden mit vielen schwierigen ethischen Fragen und Themen wie (fehlender) Gleichberechtigung von Männern und Frauen.
Die parlamentarische Diskussion glich deshalb eher einer juristischen Vorlesung als einer politischen Debatte. Wir machen bei solchen Debatten dann leider die Erfahrung, dass die Komplexität und Tiefe der Diskussion auf möglichst prägnante Aussagen verkürzt werden. Mit entsprechenden Vereinfachungen und Fehlinterpretationen. Die sozialen Medien schätzen das, der politischen Diskussionskultur hilft es nicht.
Ich wünsche Ihnen besinnliche Festtage, die wir alle nach einem turbulenten Jahr verdient haben.